Wann sehen wir nur noch „schwarz-weiß“ bei Konflikten?

Konflikte gehören zum Leben, wie weinen und lachen. Es gibt kein Leben ohne Konflikte. Wir sind geprägt durch unsere Biographie und Lebenserfahrung. Wie sind Ihre  bisherigen Selbstbeobachtungen ausgefallen? Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen. Heute der 11. Teil in der Reihe darüber, wo Konflikte drohen in „schwarz-weiß“ Optik zu verfallen.

Konkurrenz scheint Oberhand zu gewinnen

Beim „schwarz-weiß“ sehen werden die Zwischentöne ausgeblendet. Die Nuancen und Differenzierungen, die sonst in der Kommunikation selbstverständlich wahrgenommen werden, geraten in den Hintergrund. Tina und Chris aus Ihrem Team befinden sich gerade in einer solchen Konfliktsituation. So sagt Tina: „Der Vorschlag von Chris ist fachlich richtig, aber das haben wir ja schon hundert Mal probiert und es hat trotz aller Fachlichkeit nicht geklappt, das meinst Du Tom doch auch.“ Dabei schaut Tina Zustimmung erwartend in die Teamrunde. Chris kontert: „Das muss ja schließlich auch richtig umgesetzt werden, damit es klappen kann. Mit Dilettantismus kommt man natürlich nicht weiter.“ Einige, auch Tom, nicken zu den jeweiligen Aussagen, sagen aber nichts dazu. Hier bekommen die hin und her fliegenden Argumente einen „schrägen“ Unterton. Es geht deutlich mehr um das „Recht-Haben“ als um das bessere Argument. Die doppelbödigen Botschaften machen das deutlich.

Um was geht es „eigentlich“?

Für Sie als Teamleitung sind das Situationen, in denen Sie intervenieren sollten und zwar so, dass das eigentliche Thema zur Sprache kommen kann. Wenn die Argumente unsachlich werden „das hat ja noch nie geklappt“ liegt die Vermutung nahe, dass es um ein anderes Thema zwischen Chris und Tina geht, das vor dem Team als Zuschauerrunde auf einer scheinbar fachlichen Ebene ausgetragen wird. Die spannende Frage ist jetzt: wie finden Sie heraus, um was es „eigentlich“ zwischen Chris und Tina geht?  Vielleicht haben Sie schon eine Idee. Chris ist ein neuer Kollege, der sich seinen Platz im Team noch sucht und leicht in Konkurrenz zur „alten Häsin“ Tina gerät, die ihrerseits ihre Teamposition durch Chris bedroht sieht. Vielleicht drücken die beiden auch die Gegensätze des Teams aus, so wie im vorigen Blog beschrieben, nur mit der Verschärfung, dass sich jetzt Lager im Team gebildet haben, verbunden mit der Gefahr, dass ein Lager längerfristig Oberhand gewinnt.

Intervention Nr. 1

Sie können ganz einfach Ihr Team fragen: „Weiß jemand was das eigentliche Thema zwischen Tina und Chris ist?“ Oder Sie sprechen jemanden aus dem Team direkt mit dieser Frage an, die jedoch auch für alle gilt. Oft äußern einige Teammitglieder ihre Gedanken, vor allem dann, wenn das Klima in der Regel offen ist.

Intervention Nr. 2

Sie fragen die beiden Kontrahenten, was denn das Konfliktthema sei. Vielleicht sagt Tina dann, dass Chris oft Vorschläge mache, die aber nicht praktikabel seien und er doch erst mal gucken solle, wie bisher das Team mit solchen Situationen umgegangen sei. Vielleicht traut sich Chris zu sagen, dass er den Eindruck habe, dass er bei Tina mit seinen Ideen sowieso nie landen könne. Dann haben Sie klare Anhaltspunkte dafür, dass über diese „schwarz-weiß“ Sicht eine andere Team-Frage bearbeitet wird: die Positionen im Team.

Intervention Nr. 3

Sie können auch sofort auf eine andere Ebene wechseln. Sie unterbrechen das Streitgespräch damit, dass diese Diskussion jetzt nicht weiterbringt und Sie bitten alle Teammitglieder Stichworte zu benennen, was im Team gut läuft und was weniger gut läuft. Damit kommen Sie in die Lage, aus der Eskalation auszusteigen und gemeinsam mit dem Team wieder auf die verbindenden Aspekte zu schauen. Denn im nächsten Schritt können alle Teammitglieder Ideen entwickeln, wie das weniger Gute, das auch benannt werden sollte, verbessert werden kann.

Kleiner Tipp

Zum wiederholten Mal erscheint hier der Anschluss an vorhergehende Blogartikel in dieser Reihe. Oft ist am Nützlichsten aus dem Konflikt auszusteigen und  das Team auf eine gemeinsame Ebene zu lenken. Meist kommen dann die „eigentlichen“ Themen viel sachlicher von anderen zur Sprache, ohne das die Kontrahenten sich weiter im Konflikt verstricken.

Denksportaufgabe #11

Und hier die Denksportaufgabe für die kommenden vierzehn Tage. Für Sie als Teamleitung ist wichtig:

  • Was sind aus Ihrer Perspektive die wiederkehrenden Konfliktthemen in Ihrem Team?
  • Lassen sich bestimmte Konfliktthemen mit einzelnen Teammitgliedern verbinden?
  • Wie würden Sie die Konfliktkultur in Ihrem Team beschreiben?

Schauen Sie sich selbst doch einmal über die Schulter – wie Ihnen solche Interventionen gelingen und halten Sie Ihre Selbst-Beobachtungen fest.

Mehr zur Frage: „Wissen Sie, was passiert ist, wenn bei Konflikten das Einfühlungsvermögen verloren geht?“ lesen Sie im nächsten Blogbeitrag. Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute und vor allem: interessante Selbst-und Teambeobachtungen.

Mit konstruktiven Grüßen aus Wuppertal

Ihre Sabine Wengelski-Strock

 

Weitere Beiträge der Reihe:

  1. K wie Konflikt
  2. Warum lieben manche die Harmonie und andere das Kampfgetümmel?
  3. Wie frei sind wir eigentlich in Konfliktsituationen?
  4. Wissen Sie eigentlich, wofür Konflikte gut sind?
  5. In welchen Situationen geraten wir in Konflikt mit uns selbst?
  6. Wieso geraten wir immer wieder mit anderen Menschen aneinander?
  7. Um was geht es eigentlich im Konfliktfall?
  8. Was passiert in Konflikten auf dem Tisch und was passiert unter dem Tisch?
  9. Kennen Sie die Konflikteskalationstreppe?
  10. Was geschieht, wenn Standpunkte sich verhärten?