1 Praxiseinblicke aus dem Supervisionsalltag: aggressive Klienten beim Hausbesuch

In der Supervision eines Jugendamtsteams wird folgende Szene vorgestellt:

Zwei Kolleginnen sind zu einem Hausbesuch unterwegs. Die Sozialarbeiterinnen ahnen schon, dass es schwer sein wird, eine ruhige Gesprächsatmosphäre – es liegt Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vor – herzustellen. Sie treffen in der Wohnung Familie ein, kaum haben die beiden Sozialarbeiterinnen die Wohnung betreten, wird eine der beiden Fachkräfte mit einer Schimpfkanonade und Drohgebärden überschüttet. Gott sei Dank ist die andere Kollegin dabei und entscheidet sehr schnell: wir verlassen jetzt sofort diese Wohnung.  

Bei der Fallschilderung entsteht Empörung und Aufregung, alle Jugendamtsmitarbeitenden aus diesem Team kennen solche Situationen, sie sind voller Solidarität mit den Kolleginnen.  Im Raum steht zuallererst die Frage: Wie können wir uns vor derartigen Übergriffen wirksam schützen?

In gleichartigen Situationen, so arbeitet das Team heraus, ist gute Absprache das A und O. Vor dem Besuch ist wichtig, sich abzusprechen, wie im Eskalationsfall vorgegangen werden soll. Weiter ist sehr wesentlich: die Wohnung verlassen, sich nicht in Gefahr bringen, das eigene Gefühl von Unsicherheit ernst nehmen, eventuell ist notwendig, die Polizei zu rufen. Die Doppelbesetzung bei solchen Aufgaben gibt Sicherheit.

Die Solidarität tut den Sozialarbeiterinnen gut, die klaren Handlungsüberlegungen tragen zur Entspannung bei. Dann entsteht Raum für die Frage: Was haben wir dazu beigetragen, dass die Situation sofort aus dem Ruder gelaufen ist? Gab es die Möglichkeit, die Situation anders zu gestalten? Diese Fragen lassen sich nur für die jeweilige, einzigartige Sachlage beantworten. Es ist wichtig, sie zu stellen und Hinweise für zukünftige Konstellationen zu bekommen und das eigene Handeln zu untersuchen.