Vor Weihnachten habe ich einen Aspekt der Psychoanalytikerin Thea Bauriedl aufgegriffen. Heute beziehe ich mich auf einen weiteren Aspekt ihres Ansatzes. Bauriedl geht von intrapsychischen Beziehungen aus, den inneren Bewegungen in einer Person. Hier stellt sie fest, dass wir Menschen demselben Objekt, also derselben Person oder auch Situation ganz unterschiedliche Gefühle entgegenbringen. Sie nennt das Gefühlsambivalenz. Wir erleben das häufig als anstrengend oder auch verwirrend und als inneren Konflikt. Eine Person lieben und hassen, sich an der Schönheit einer Situation erfreuen und sie gleichzeitig schrecklich finden… wie beispielsweise auf dem Foto oben: der Genuss des Ausblicks verbunden mit Schrecken des Abgrundes. Die Liste der Ambivalenzen lässt sich beliebig verlängern. Unsere Psyche kann in solchen Momenten auf die Abwehr zurückgreifen, die innere Spannung dadurch zu mildern, in dem eines der bedrängenden Gefühle abgespalten wird, nicht mehr wahrgenommen wird. So kann zum Beispiel Angst reduziert werden. Gleichzeitig ist der innere Konflikt, welche die Gefühlsambivalenz erzeugt, wichtig für die psychische Beweglichkeit. Spalten wir ein Gefühl aus dieser Ambivalenz ab, also verbieten wir uns, einen Aspekt zu fühlen, schränken wir unsere innere Beweglichkeit ein. Das ist auf Dauer noch viel schädigender für die psychische Gesundheit. Für die supervisorische Praxis erscheint mir daher sehr wichtig, den Fokus auch auf die Abspaltungen legen, zu verstehen, warum bestimmte Gefühle und Aspekte keinen Raum haben dürfen. Darin liegen manchmal die Schlüssel zum Verstehen.
Von der lästigen Ambivalenz…
