Ohne eigenen Standpunkt geht nichts

In den Anfängen meiner supervisorischen Praxis war ein angepasstes Konzept der Psychoanalytikerin Thea Bauriedl wegweisend. Sie formuliert supervisorische Beziehung vor psychoanalytischem Hintergrund als einen dialektisch-emanzipatorischen Prozess, der dadurch fortschreitet, in dem er sich selbst untersucht. Dieses Verstehen und Analysieren in der beratenden Beziehung sind Diagnose und Intervention zugleich. Gleichzeitig geschieht eine ständige Relativierung, Differenzierung und emanzipatorische Erweiterung des eigenen Standpunktes. Diese wenigen Sätze zu Thea Bauriedls Konzept machen mir als Supervisorin heute noch einen weiteren, wichtigen Aspekt deutlich, der oft unterschätzt wird. Ich bin immer Teil der Szene und immer beteiligt. Als Supervisorin, Coach oder Organisationsentwicklerin kann ich mich nicht auf einen neutralen Standpunkt zurückziehen. Natürlich bin ich als Beraterin in komplexen Prozessen einer Allparteilichkeit verpflichtet. Dennoch habe ich eigene Standpunkte, die auch bei noch so gelingender Abstinenz in den Beratungsprozess einfließen. Die Art und Weise der Intervention, der Zeitpunkt, meine Wortwahl, in all dies fließt meine Person als Supervisorin mit ein und prägt die Situation mit. Diese Aspekte immer wieder mit zu reflektieren erweitert mein eigenes Bewusstsein, schärft den Blick für die Verantwortung im Prozess, die eigene und die der Supervisanden.