Vor einigen Jahren habe ich einiges von den Ansätzen des Psychoanalytiker Harry S. Sullivan gelesen. Für Sullivan steht die interpersonale Beziehung im Mittelpunkt der psychischen Entwicklung des Menschen. Die Interaktionsmuster, die sich von Geburt an bilden, sind hierfür ausschlaggebend. Der Mensch ist in den ersten Lebensjahren unbedingt auf Gemeinschaft angewiesen, Sullivan nutzt hier dem Begriff der kommunalen Existenz. In diesem Zusammenhang dienen die ersten Lebensjahre dazu, den kleinen Menschen quasi zu kultivieren. Dies geschieht vor allem durch vielfältige Erfahrungen, die sich im vorsprachlichen Lebensalter im Gedächtnis einlagern. Besonders Sitten und Gebräuche, die durch gestisches, phonemisches und mimisches Verhalten der frühkindlichen Bezugspersonen transportiert werden, prägen die eingelagerten Erfahrungen. Für Sullivan sind das die entscheidenden psychischen Lernprozesse. Dabei weist Sullivan auf den Unterschied zwischen Ereignis und Erfahrung hin. Erfahrung ist das, was wir von Ereignis im Kopf haben: einen Frosch sehen ist etwas anderes als der Frosch selbst.
Diese Erkenntnisse auf supervisorische Prozesse angewendet bedeutet, den Interaktionsmustern noch einmal eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. An dieser Stelle nicht die direkte Interaktion zu fokussieren, sondern dem Rahmen, dem nicht Gesprochenen, dem kulturell Eingelagerten Beachtung zu teil werden zu lassen. Hiermit lenkt sich die Wahrnehmung auf nicht Bewusstes, welches dennoch unsere Interaktion gestaltet. Die nichtsprachlichen Aspekte, die höchst individuellen und gleichzeitig sozialen Ursprung haben, in der ganzen Komplexität mit in die Reflexion einzubeziehen kann ein großer Gewinn sein. Die Wahrnehmung erweitert sich und macht die Vieldeutigkeit einer kleinen Szene deutlich.