„Szenisches Verstehen“ in der Supervision

Supervision ist ein Beratungsformat, dass sich aus vielen Wissensgebieten speist und selbst wissenschaftlich fundiert forscht und Theorien entwickelt.

Als Supervisorin, die sich unter anderem, an psychoanalytischer Theorie und Praxis orientiert, ist der Begriff des „szenischen Verstehens“ ein wichtiger Theoriebaustein des Supervisionskonzeptes.

Alfred Lorenzer, ein Psychoanalytiker, hat diesen Begriff geprägt: Das tiefere Verstehen einer kleinen Szene, so wie im Film oder Theater, kann einen Zugang zu unbewussten Prozessen bieten, die sonst verborgen bleiben und dennoch weiterwirken. Bei diesem tieferen Verstehen braucht Lorenzer das Bild des Detektivs, der die kleinen, oft widersprüchlichen Hinweise nutzt, um unverständliches in einen Sinnzusammenhang zu bringen. Ziel ist, das nicht Gesprochene, sondern das kaum Wahrnehmbare wie einen Schatz zu heben und für den Supervisionsprozess nutzbar zu machen.

In einer Supervisionssitzung berichtet ein Team aus der Jugendhilfe über einen Jugendlichen, Paul. Das Team ist sich nicht einig, wie sie weiter mit Paul arbeiten wollen. Die einen würden ihn am liebsten sofort vor die Türe setzen, weil er sich an keine Regeln hält, die andere Hälfte des Teams zeigt sich als engagierte Fürsprecher für Paul, der doch eine Chance braucht. In dieser Auseinandersetzung des Teams, fragt sich die Supervisorin, um was es denn eigentlich geht, denn die Regeln und Vorgehensweisen in dieser Jugendhilfeeinrichtung sind klar. Die Supervisorin bittet das Team, sich innerlich auf den Stuhl von Paul zu setzen, um den es gerade geht:

  • Was denkt Paul über sich?
  • Was würde er sagen, was er braucht, wenn er in der Lage wäre, das reflektiert auszusprechen?

Sehr unterschiedliche Aussagen kamen zu Tage. Davon seien nur zwei Aspekte jetzt genannt: die Anstrengung sich in die Gruppe einzufinden einerseits, die Orientierungslosigkeit andererseits, die dazu führt, dass der Junge alle Grenzen überschritt.

So bekam das Team eine andere Perspektive auf die innere Auseinandersetzung des Jugendlichen Paul. Das Team setzte diesen Konflikt in Stellvertretung für ihn in Szene, über den Streit, ob er bleiben solle oder ausziehen müsste. Jetzt war für das Team der Weg frei, um über Handlungsalternativen im Kontakt mit Paul nachzudenken und Impulse aus der Supervision für die Praxis mitzunehmen.