Verlorenes Einfühlungsvermögen

Konflikte gehören zum Leben, wie weinen und lachen. Es gibt kein Leben ohne Konflikte. Wir sind geprägt durch unsere Biographie und Lebenserfahrung. Wie sind Ihre bisherigen Selbstbeobachtungen ausgefallen? Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen. Heute der 12. Teil in der Reihe darüber, was passiert, wenn das Einfühlungsvermögen verloren geht.

Konkurrenzdenken gegenüber Kooperationsdenken gewinnt. Auf dieser Konfliktstufe des verlorengegangen Einfühlungsvermögens ist es entschieden. Die Konkurrenz hat leider gewonnen. Die am Konflikt Beteiligten fühlen sich nicht mehr in die Position des anderen, sie sehen nur noch ihre Position und nehmen die Kommunikation eindimensional als gegen sich gerichtet wahr. Das hat zur Folge, dass alles nur noch durch die Brille des Misstrauens gesehen wird. Und diese Sichtweise ist ein echter Brandbeschleuniger bei der Eskalation von Konflikten. Ein Beispiel: Nach einer längeren, konflikthaften Vorgeschichte, wer arbeitet wie im Team, sagt Kurt zu seiner Konfliktpartnerin Elke: „Soll ich Dir helfen? Es ist ja so so viel zu tun!“ Diese Frage von Kurt ist nun ausgesprochen doppelbödig. Der Unterton und die Gestik transportieren: „Elke wird das sowieso nicht hinkriegen, so unorganisiert und ungeschickt wie Elke immer ist, immer muss ich ihr helfen, als wenn ich nichts Besseres zu tun hätte. Ich zeig der jetzt mal, wo der Hammer hängt.“ Der Oberton transportiert ein scheinbares Hilfsangebot. Ohne einen gesteigerten Konflikthintergrund wäre Elke in der Lage den Oberton zu hören und das Hilfsangebot anzunehmen. Durch den inzwischen immer weiter gesteigerten Konflikt hört Elke jedoch den Unterton messerscharf und fühlt sich in Ihrem Misstrauen „Kurt will mir nichts Gutes“ bestärkt. Die Eskalation nimmt ihren Lauf, denn beide sind nicht mehr in der Lage die Perspektive zu wechseln und zu denken, dass der andere es auch freundlich meinen könnte.

Falsch gedacht mal aufgedröselt und neu gestrickt

Spinnen wir diesen Faden einmal anders weiter: Elke wäre in der Lage den Unterton zu überhören und auf die Frage zu antworten: „Kurt, das ist aber nett von Dir, mir helfen zu wollen. Ja, gern kannst Du mir helfen. Ich weiß gar nicht wo mir der Kopf steht“. Nach der gemeinsamen Arbeit könnte sie sich noch einmal bedanken. Damit wäre Kurt doch eine Menge Wind aus den Segeln genommen. Er könnte sich tatsächlich gut fühlen, weil er der Kollegin geholfen hat und hat möglicherweise auch gesehen, dass die scheinbar so unorganisierte Elke doch ganz patent arbeiten kann. Sie geht die Dinge zwar anders an als Kurt selbst, doch das Ergebnis stimmt. Nun könnte Kurt sich diese Gedanken im Inneren sagen und wenn es ganz gut läuft, auch Elke gegenüber zugeben, dass die gemeinsame Arbeit gar nicht so schlecht stattgefunden hat.

Was tun als Teamleitung?

Auf der Strukturebene können Sie mit Ihrem Team in derartigen Konfliktsituationen schauen, ob Verantwortlichkeiten gleichmäßig und angemessen verteilt sind. Also wieder auf die Sachebene gehen und sich nicht so sehr in der Dynamik des Teams einfangen lassen.

Hilfe von außen holen

Möglicherweise ist in diesem Punkt auch Hilfe von außen sinnvoll. Denn auch Sie als Teamleitung haben Ihre eigenen Gedanken zu der Situation im Team. Da kann Moderation durch eine andere Teamleitung, die Ihr Team nicht kennt, weiterhelfen. Sie können dann mit dem Team zusammen überlegen und haben neben Ihrem Leitungshut nicht auch noch den Moderationshut auf dem Kopf.

Externe Unterstützung

Teamsupervision oder Konfliktmoderation kann in einer soweit eskalierten Situation ganz gewiss weiterhelfen. Oft warten Leitungskräfte einfach zu lange, bis Sie auf den Gedanken kommen, sich Unterstützung von extern zu holen. Manchmal befürchten Leitungskräfte, dann als leitungsschwach gesehen zu werden. Dabei ist frühzeitige Unterstützung von außen ein Zeichen von Weitsicht und Klugheit.

Heute gibt es gleich zwei Tipps.

Kleiner Tipp Nr. 1

Versuchen Sie einmal in Konfliktsituationen, nicht zu interpretieren und das gesprochene Wort wahrzunehmen, ohne den ganzen Hintergrund. Wie würden Sie sich dann verhalten? Die Interpretationen tragen oft dazu bei, die Lage zu verschlimmern.

Kleiner Tipp Nr.2

Prüfen Sie, ob und wie in Ihrer Organisation mit der Anfrage nach externer Unterstützung umgegangen wird. Danach richtet sich Ihre Strategie, wenn Sie eine solche Maßnahme anstreben.

Denksportaufgabe #12

Und hier die Denksportaufgabe für die kommenden vierzehn Tage. Für Sie als Teamleitung ist wichtig:

  • Wie schnell lassen Sie sich helfen?
  • Denken Sie, eigentlich muss ich das selbst können?
  • Welche Signale geben Sie damit in Ihr Team?

Schauen Sie sich selbst doch einmal über die Schulter – was Sie bei sich selbst feststellen und halten Sie Ihre Selbst-Beobachtungen fest.

Mehr zur Frage: „Wann fängt bei Konflikten die Gerüchteküche an zu kochen?“ lesen Sie im nächsten Blogbeitrag. Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute und vor allem: interessante Selbst-und Teambeobachtungen.

Mit konstruktiven Grüßen aus Wuppertal

Ihre Sabine Wengelski-Strock

 

Weitere Beiträge der Reihe:

  1. K wie Konflikt
  2. Warum lieben manche die Harmonie und andere das Kampfgetümmel?
  3. Wie frei sind wir eigentlich in Konfliktsituationen?
  4. Wissen Sie eigentlich, wofür Konflikte gut sind?
  5. In welchen Situationen geraten wir in Konflikt mit uns selbst?
  6. Wieso geraten wir immer wieder mit anderen Menschen aneinander?
  7. Um was geht es eigentlich im Konfliktfall?
  8. Was passiert in Konflikten auf dem Tisch und was passiert unter dem Tisch?
  9. Kennen Sie die Konflikteskalationstreppe?
  10. Was geschieht, wenn Standpunkte sich verhärten?
  11. Wann sehen wir nur noch „schwarz-weiß“ bei Konflikten?