Wieso geraten wir immer wieder mit anderen Menschen aneinander?

Konflikte gehören zum Leben, wie weinen und lachen. Es gibt kein Leben ohne Konflikte. Wir sind geprägt durch unsere Biographie und Lebenserfahrung. Wie sind Ihre Selbstbeobachtungen ausgefallen? Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen. Heute der 6. Teil in der Reihe darüber, wieso wir immer wieder mit anderen Menschen aneinander geraten.

Immer die gleiche Leier …

Fragen Sie sich in Konfliktsituationen auch oft: „Warum müssen wir denn über dieses Thema schon wieder sprechen, uns streiten und uns ärgern?“ Ihnen geht durch den Kopf: „Eigentlich müsste das doch schon längst klar sein“, und trotzdem sind bestimmte Themen oder bestimmte Menschen dafür prädestiniert, uns auf die Palme zu bringen. Sie wissen, manchmal sind es ganz winzigen Trigger, eine kleine Geste, ein Wort, die hochgezogene Augenbraue, die dazu führen, dass wir in Streit geraten.

Neulich auf einer Tagung: Es ging um die Qualität von Aus- und Weiterbildung. Herr Kurz untermalte seine Aussage: „Ich weiß dass zwar nicht so genau, aber Sie arbeiten bestimmt gut, Herr Lang“, mit einer Handbewegung. Die Hand nach unten von sich wegbewegend. Eine typische Geste des „Wegwerfens“. Schon die Worte waren sicher nicht dazu angetan, dass diese Aussage von Herrn Lang wirklich freundlich aufgenommen wurde. Die Geste dazu triggerte Herrn Lang geradezu heftig an, aus der Haut zu fahren. Er fühlte sich angegriffen in der Qualität seiner Arbeit und reagierte entsprechend.

Was war passiert?

Die Situation war vielschichtig. Zum Verständnis müssen Sie wissen, das Thema war bei dieser Tagung ein schwieriges Thema. Viele Affekte und Erfahrungen waren mit im Raum. Dann ist das Verhältnis von Herrn Lang und Herrn Kurz nicht ganz unbelastet. Herr Lang fühlt sich in Bezug auf seine Arbeit schnell angegriffen und ist gerade bei Herrn Kurz besonders empfindlich.

Herr Kurz ist bei dem Thema Aus- und Weiterbildung ganz besonders engagiert, es ist sein Steckenpferd. So bemerkte er im Eifer der Debatte nicht, dass schon seine Wortwahl eine doppelte Botschaft enthielt. Er kannte die konkrete Arbeit von Herrn Lang nicht und beurteilt die Arbeit trotzdem als gut. Was sollte denn Herr Lang nun davon halten? Und dann noch die Handbewegung …

Wie es scheint, kein Wunder, dass Herr Lang aus dem Hemd gesprungen war, zumal er selbst hin und wieder Zweifel daran hat, wie seine Arbeit in seiner Firma eigentlich bewertet wird.

Nehmen Sie jetzt einmal Abstand.

Gerade weil Herr Lang weiß, dass ein Verhältnis mit Herrn Kurz nicht so besonders gut ist, könnte er denken: „Diese Aussage lasse ich quasi an mir vorbeifliegen. Er weiß nicht, wie ich arbeite und kann es nicht beurteilen.“ Ähnliches gilt für Herrn Kurz, mit etwas innerem Abstand würde er selber auf die Idee kommen, dass seine Aussage, gekoppelt mit der Handbewegung eher abwertend ankommt.

Halten wir fest:

  • Wenn wir innerlich besonders engagiert sind, nehmen wir oft gar nicht wahr, was und vor allem wie wir Dinge ausdrücken. Dann wundern wir uns, wenn das Gegenüber verärgert reagiert.
  • Wenn wir bei einem Thema selbst unsicher sind oder uns nicht ganz sattelfest fühlen, fühlen wir uns in der Regel viel schneller angegriffen als bei Themen, bei denen wir uns sicher fühlen.

Damit haben wir zwei wesentliche Punkte herausgefunden, die dazu beitragen, wieso wir in bestimmten Situationen oder mit bestimmten Menschen immer wieder Konflikt geraten.

Konflikte sind wie Zwiebeln

Auf der äußeren Schicht geht es um einen Inhalt, um die Qualität. Der hier beschriebene Konflikt entsteht auf einer, weiter innen liegenden Ebene, die oft gar nicht so viel oder direkt mit dem inhaltlichen Thema verbunden ist. Der Konflikt hat vielmehr mit den inneren Themen der beiden Beteiligten zu tun.

In der nächsten Schicht der Zwiebel stellt sich die Frage: In welcher Beziehung stehe ich denn mit meinem Konfliktpartner oder -gegner? In diesem Beispiel war die Beziehung zwischen den beiden Kontrahenten schon vorbelastet, dann ist es immer schwierig, gelassen zu bleiben. Innerlich vorbelastet haben wir dann praktisch schon die Konfliktbrille auf der Nase, wir sind – auf jeden Fall unbewusst – schon auf der Hut, von dem Gegenüber kann nichts Gutes kommen.

So fallen dann Worte und Geste auf einen vorbereiteten Boden. Etwas Ähnliches passiert bei Menschen, die sich sehr nahe sind. Da denken wir oft: „Ich weiß schon, was jetzt kommt.“ Dann sind wir im Kopf des anderen, nur: Da haben wir nun wirklich nichts zu suchen.

Auch bei Teams gibt es Spezialthemen – oder besser gesagt: Reizthemen. Die Prozesse sind ähnlich wie zwischen einzelnen Menschen. Aber dazu später mehr.

Was ist zu tun?

Es ist oft leichter gesagt als getan:

  • Gehen Sie innerlich auf Abstand. Schon die Frage: „Wieso gerate ich bei diesem Thema unter Druck oder bringt es mich so sehr auf die Palme?“ hilft Ihnen, etwas Abstand herzustellen.
  • Versuchen Sie einmal herauszufinden, was Ihre Spezialthemen sind, wo Sie schnell in die Luft gehen. Dann können Sie sich innerlich wappnen.

Kleiner Tipp

Sie sehen, auch dieses Blogthema ist der Anschluss an den vorherigen Artikel. Nach der Beobachtung der inneren Konfliktthemen, steht die Frage: „Welche Konfliktthemen wiederholen sich immer wieder bei mir und in meinem Team?“ verbunden mit der Frage „Um was geht es eigentlich in diesem Konflikt?“

Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie feststellen, dass hinter dem verhandelten Konfliktthema immer noch ein weiteres Konfliktthema liegt. Wenn Sie das verstehen, wird es Ihnen mit einiger Übung leichter gelingen, die Konfliktwiederholungen zu erkennen und günstigstenfalls sogar auszusteigen. Schauen Sie doch einmal, wenn Sie wieder genervt denken: „Das Thema besprechen wir doch zum x-ten Mal“, um was es neben der Sachebene noch gehen könnte. Diese Selbstreflexion hilft Ihnen, im Konfliktfall mehr Klarheit zu gewinnen.

Denksportaufgabe #6

Und hier die Denksportaufgabe für die kommenden vierzehn Tage. Für Sie als Teamleitung sind die spannenden Fragen:

  • Was sind Ihre spezifischen Konfliktthemen?
  • Was sind die spezifischen Konfliktthemen in Ihrem Team?
  • Was würde passieren, wenn es diese Konfliktthemen nicht mehr gäbe?

Schauen Sie sich selbst und Ihrem Team doch einmal über die Schulter – was beobachten Sie und halten Sie Ihre Selbst-Beobachtungen fest.
Mehr zur Frage „Um was geht es eigentlich im Konfliktfall?“ lesen Sie im nächsten Blogbeitrag. Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute und vor allem: interessante Selbst-Beobachtungen.

Mit konstruktiven Grüßen aus Wuppertal
Ihre Sabine Wengelski-Strock

Weitere Beiträge der Reihe:

  1. K wie Konflikt
  2. Warum lieben manche die Harmonie und andere das Kampfgetümmel?
  3. Wie frei sind wir eigentlich in Konfliktsituationen?
  4. Wissen Sie eigentlich, wofür Konflikte gut sind?
  5. In welchen Situationen geraten wir in Konflikt mit uns selbst?